Die Abwehrschlacht an der Maas

Der amerikanische Angriff vom 12. September 1918

 Die 1. amerikanische Armee schritt planmässig am 12. September 1918 nach vierstündiger Feuervorbereitung durch beinah 3000 Geschütze bei St. Mihiel zum Angriffe. Schon im ersten Anlauf konnten tiefe Einbrüche in die Flanken des deutschen Frontbogens erzielt werden. Am nächsten Tag reichten sich die von Süden und Nordwesten vordringenden Kampfgruppen an der Grundlinie des Keils die Hände; es war aber der deutschen Führung geglückt, die von Einkreisung bedrohten Truppen, allerdings unter schweren Verlusten – 13.215 Gefangene und 460 Geschütze – aus der sich schließenden Zange rechtzeitig herauszuziehen und die Sehnenstellung zu besetzen, vor der sich die Amerikaner eingruben.

Von der K.u.K. österreichischen 35. Infanterie-Division, die im nördlichen Brennpunkt der Schlacht stand, befanden sich bei Beginn vier Bataillone in erster Linie, zwei Bataillone in Bereitschaft in der Artilleriestellung, sechs Bataillone hielten sich zum Teil weit hinten zur Verfügung. Der Nordflügel der Division wurde durch den feindlichen Angriff ebenso wie die anschließende bayrische 13. Landwehr-Division aus den vordersten Stellungen zurückgedrückt, die Mitte behauptete sich zunächst mit Erfolg. Der sogleich angesetzte Gegenstoß der Bereitschaftsbataillone zur Wiedergewinnung der verlorenen Stellungsteile war in Entwicklung begriffen, als weitere Erfolge der amerikanischen Truppen beim nördlichen Nachbarn und der Beginn des Rückzuges bei der südlich anschließenden 192. ID den Ernst der Lage verschärfte. Der Divisionskommandeur General Major Funk entschloss sich daher, die noch verfügbaren Reserven in eine Aufnahmestellung vorzuschieben und die vorne kämpfenden Bataillone auf diese zurückzunehmen. Die Loslösung konnte nur unter empfindlichen Verlusten durchgeführt werden, zumal auf dem Südflügel, wo die Amerikaner den Rückzug der 192. ID zur Umfassung ausnutzten. In den Abendstunden wurde auch die k.u.k. 35. ID auf höheren Befehl in die Michelstellung zurückgeführt, ohne dass die amerikanischen Truppen die Rückbewegung störten. Ihre Verluste betrugen 99 Offiziere und 3268 Mann; 79 Maschinengewehre und 18 Geschütze gingen im Kampf verloren.

Vorgeschichte

Die schweren Kämpfe an der Westfront in den Monaten August und September hatten naturgemäß neue Bemühungen der Obersten Heeresleitung zur Folge, Verstärkungen vom Bundesgenossen zu erlangen. Nach Beratungen der öster. – ungar. Heeresleitung erschien es möglich, an die Abgabe von drei Divisionen zu denken. Die 13. SchD. wäre sogleich verwendbar, die 34. ID und die 37. ID müssten noch geschult werden. Das öster.-ungar. Oberkommando bestimmte daher am 2. September aus dem Venezianischen die 37. HID für den Westen, dann aus dem Militärgeneralgouvernement Polen die 106. ID, deren eben nach Südtirol rollenden Transporte nach Frankreich umdirigiert wurden.

Die beiden höchst mangelhaft ausgerüsteten Divisionen gelangten um die Monatsmitte nach Frankreich. Die 106. ID wurde dem Abschnitt Ornes nördlich von Verdun zugewiesen. Die 37. HID kam in den Bereich der Heeresgruppe Herzog Albrecht von Württemberg nach dem Elsass als Reserve der OHL .

Der Angriff der amerikanischen 1. Armee in den Argonnen und der französischen 4. Armee im Anschluss an diese weiter im Westen zeigte am 26. September örtliche Erfolge. In den nächsten Tagen versteifte sich der Widerstand der Deutschen und es zeigte sich alsbald, dass die Amerikaner in dem unübersichtlichen, wegarmen Waldgelände der Argonnen, der Schwierigkeiten der Kampfführung und des Nachschubs nicht Herr werden konnten, die kriegserfahrene Truppen und Führer eher zu überwinden gewusst hätten. Um der in den Argonnen stecken gebliebenen 1. amerikanischen Armee Luft zu machen, und die empfindliche Flankierung vom Ostufer der Maas her auszuschalten, wurden ein französisches und ein amerikanisches Korps östlich des Flusses zum Angriff angesetzt, so dass auch hier heftige Kämpfe entbrannten.

Die östlich der Maas stehende 1. k.u.k. ID war schon in den letzten Septembertagen zum Einschwenken ihres rechten Flügels auf Sivry gezwungen worden, als der amerikanische Angriff westlich des Flusses die dort stehende bayerische 7. RD zurück gedrückt hatte. In den folgenden Nächten hatten die öster.-ungar. Sappeure die im nunmehr geräumten Vorfeld liegenden Maasbrücken gesprengt. Diese Kampfzeit vom 22. bis zum 30. September kosteten die Division, obwohl sie nur Teilvorstöße abzuwehren hatte, erhebliche Verluste durch Artilleriefeuer, namentlich durch Gasbeschuss.

Die Abwehrschlacht an der Maas am 08. Oktober 1918

Am 08. Oktober 1918 brach der amerikanisch-französische Angriff östlich der Maas nach 1 ½ stündigem Vernichtungsfeuer los; gegen den Unterabschnitt „Brabant” der k.u.k. 1. ID griffen drei feindliche Divisionen an. Diesem Massenaufgebot gelang es am ersten Kampftage, nach erbitterten und für beide Teile sehr verlustreichen Kämpfen in die vordersten Abwehrstellungen eine Bresche zu schlagen. Es glückte aber dem tatkräftigen Eingreifen der niederen Führung und der zähen Ausdauer der Truppen, dem Gegner in einer Riegelstellung ein tieferes Eindringen in das Stellungssystem zu verwehren. Um diesen Riegel wurde am 09. und 10. Oktober erbittert gerungen, wobei sich Teile des IR 5 auf einer von drei Seiten umfassten Waldkuppe durch unerschütterliches Ausharren auszeichneten. Öst.-Ungar. und deutsche Verbände, vermischt oder in engstem Zusammenwirken, fingen den feindlichen Stoss nach wechselvollen Kämpfen ohne wesentlichen Geländeverlust auf. Auch der am 09. Oktober abends einsetzende Angriff eines feindlichen Bombengeschwaders von mehr als 120 Flugzeugen vermochte den Verteidiger nicht zu erschüttern.
Als die abgekämpfte 1. ID nach diesen Kämpfen am 10. abends, mit Teilen sogar zwei Tage später, aus der Front gelöst wurde, waren erst ihre großen Verluste, 197 Offiziere und 5052 Mann an Gefallenen, Verwundeten und Vermissten, zu überblicken.

Im deutschen Heeresbericht vom 11. Oktober 1918 wurde unter anderem gemeldet:

(…) Auf dem östlichen Maasufer griff der Amerikaner tagsüber mit starken Kräften zwischen Sivry und dem Haumont-Wald an. Brandenburgische, sächsische, rheinische und österreich-ungarische Regimenter schlugen in hartem Kampf alle Angriffe des Feindes ab.  Das österreich-ungarische Infanterie-Regiment 5 unter seinem Kommandeur Popelka zeichnete sich besonders aus. (…)

Die Wirklichkeit war freilich eine andere. Die beteiligten Verbände hatten große Verluste an Personal und Gelände zu beklagen, doch wie so oft wurden Berichte für die Propagande geschönt.

Der Kommandeur des K.u.K. Infanterie-Regiments 5 Oberstleutnant Rudolf Popelka erhielt für seine Verdienste – als einziger K.u.K. Offizier unterhalb des Generalranges – den Orden Pour-le-Mérite verliehen. Oberstleutnant Rudolf Popelka kehrte erst im März 1918 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Zurückgekehrt, erhielt er das Kommando über das II. Battaillon des K.U.K. I.R. 112 und kurz darauf über das I.R. 5.

Die Stellungen der Österreicher nördlich von Samogneux.

Einsatzraum
Einsatzraum des K.U.K. Verbandes

An diesen Kämpfen hatten auch Bataillone der k.u.k. 106 H.I.D erfolgreich Anteil genommen. Die drei Feldjägerbataillone der 1. ID fochten bis zum 13. Oktober verlustreich in einem deutschen Verband bei Beaumont und erlitten schwere Verluste.
Nach kurzer Ruhepause, die zur teilweisen Auffüllung der stark gelichteten Verbände verwendet wurde, musste schon am 16. Oktober das IR 112, am 18. auch das FJB 17 an die den Unterabschnitt „Brabant” übernehmende deutsche 228. ID abgegeben werden. Die 1. ID, der nunmehr auch das k.u.k. LstIR 25 und das Sturmbataillon 106 unterstellt wurden, bezog in der Nacht auf den 18. Oktober den Unterabschnitt Sivry unmittelbar östlich der Maas. Dieser Abschnitt, der bei einer Breite von 5 ½ km keine ausgebauten Stellungen besaß, musste in anstrengender Arbeit ausgebaut werden. Als in der Folge bei den Nachbarn beiderseits neue heftige Kämpfe aufflammten, wurde die durch das württembergische Gebirgsregiment verstärkte Division nicht angegriffen, aber durch das schwere Artilleriefeuer und den häufigen Gasbeschuss erheblich in Mitleidenschaft gezogen.

Auch weiter im Westen dauerten die Kämpfe seit Anfang Oktober fort. In den Argonnen und in der Champagne konnten Amerikaner und Franzosen nur schrittweise Raum gewinnen; bei Reims wichen die Deutschen aus ihren Dauerstellungen nördlich und östlich der Stadt. Nördlich der Aisne nahmen die Franzosen am 03. Oktober St. Quentin, am 8. erstürmten die Engländer die Stellungen bei Cambrai und besetzten am folgenden Tag die Stadt. Diese Erfolge zwangen die deutsche Führung, die Front zwischen den Argonnen und der Schelde bis zum 13. Oktober in die Hermann – Hunding – Brunhild-Stellung zurückzunehmen. Am 14. Oktober verschärfte sich der Ansturm gegen die deutsche Front. Zunächst gelang es den gegnerischen Truppen nördlich der Lys vorwärts zu kommen, wodurch die Lage der 4. deutschen Armee an der belgischen Küste und der 6. Armee im Raum von Lille unhaltbar wurde. Der Nordflügel des deutschen Heeres musste daher zwischen dem 17. und 20. Oktober die Nordseeküste und damit die flandrische U-Boot-Basis aufgeben; bis zum 23. Oktober wurde auch der Raum von Lille und Douai geräumt.
Am 19. Oktober hatte Marschall Foch die Ziele der Heeresgruppen weiter gesteckt. Für die weitere Fortsetzung des Großangriffs erschien es Marschall Foch als besonders vorteilhaft, den Kampfraum nunmehr gegen Osten zu erweitern. In Lothringen musste ein mit starken Kräften durchgeführter Stoß aus dem Raume nordöstlich von Nancy gegen Saarbrücken, also an der Festung Metz östlich vorbei, um so eher entscheidende Erfolge bringen, als die Hauptmasse des deutschen Heeres in Belgien und Frankreich gebunden war. Auf Grund der Anweisungen des Marschalls Foch an Pétain vom 20. Oktober wurden die Vorbereitungen für diese neue Kampfhandlung in Angriff genommen, deren Beginn für die Zeit um den 15. November veranschlagt wurde. 28 Infanterie- und 3 Kavalleriedivisionen sollten mit 600 Panzerwagen auf nur 30 Km Frontbreite diesen vernichtenden Schlag führen. Die OHL unternahm auch trotz der ernsten Geschehnisse auf dem Balkan und der gespannten Lage in Venetien nochmals Schritte, um von öst-ungar. Verbündeten Verstärkungen für die arg bedrohte Westfront zu erhalten.

Die Kämpfe in Frankreich und Belgien dauerten bis in die ersten Novembertage mit unverminderter Härte fort. Noch immer leistete die deutschen Truppen Widerstand. Allerdings wurde die Kampffähigkeit der Verbände bis zur Neige erschöpft; der Kräfteschwund war so bedeutend, dass über 20 Divisionen aufgelöst werden mussten. Bataillone mit 150 Mann und Divisionen von 800 bis 1200 Männern waren keine Seltenheit. An der Maas gewannen Amerikaner und Franzosen Gelände in Richtung auf Sedan.
Der nachhaltige Druck der Ententeheere auf den Schlachtfeldern des Westens nötigte der OHL den Entschluss ab, ihre Kräfte in die Antwerpen – Maasstellung zurückzunehmen. Wegen der von Österreich-Ungarn angebahnten Waffenstillstandsverhandlungen hatte die OHL schon am 29. Oktober verfügt, dass die k.u.k. Divisionen aus der Front zu ziehen sein. Als FML Ludwig Goiginger am 05. November den Befehl über den Abschnitt Ornes abgab, endete damit die Kampftätigkeit öst.-ungar. Verbände im Westen, die seit dem 03. November aus der Front gelöst und in der Etappe zusammengezogen wurden. Dem XVIII. Korpskommando fiel noch die Aufgabe zu, für das Zurückführen der Truppen zu sorgen. Jene der Divisionen 1, 135 und 106 wurden in nationale Abteilungen gegliedert. Die Heimkehr verzögerte sich, weil die Verkehrslage zunächst keine Bahnfahrt zuließ. So wurde der Weg bis auf das rechte Rheinufer im Marsch zurückgelegt. Die 37. HID, die von den andern Divisionen angesondert zum Stellungsbau verwendet worden, aber nicht mehr ins Gefecht gekommen war, trat, unabhängig vom XVIII. Korpskommando, am 12. November den Rückmarsch über den Rhein an. Ende November bestiegen die Truppen, die vorwiegend aus Ungarn, dann aus dem Sudetenland stammten, in Heilbronn, Pforzheim und Ulm die Eisenbahnzüge.

So endete das Habsburger Kapitel an der Westfront.

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