Amerikanische Darstellung

Übersetzung eines Artikels aus der Saturday Evening Post von O.Brandis und G.Klemm – Amerikanische Darstellung

Von Generalmajor a.d. Hunter Ligget und E. Wesley

Erschienen im Nachrichtenblatt der 76. Reserve-Division im August 1928

Das „Lost Battailon” wurde durch einen Angriff gerettet. Der 16 km nordöstlich der Stelle im Argonnerwald erfolgte, wo es in eine Umzingelung geraten war. Vorher war jeder Versuch, es auf dem direkten Weg zu entsetzen, fehlgeschlagen. Major Charles W. Whittlesey befehligte ein zusammengesetztes Bataillon der 77. Infanterie-Division, das sich zusammensetzte aus sechs Kompanien des IR 308 der K-Kopanie des IR 307 und den C- und D-Kompanien des MG-Bataillon des IR 306. Er hatte den Auftrag, bestimmte Höhenzüge zu nehmen und zu halten. Mit schweren Verlusten entledigte sich Whittlesey seiner Aufgabe. Den folgenden Schützenlinien der 77. ID gelang es jedoch nicht, in unterstützender Verbindung mit dem rechten und linken Flügel der vorderen Linie zu bleiben. Der Feind kam schnell in den Rücken des Bataillons, verriegelte die Bergschlucht, durch welche es vorgegangen war, mit Drahthindernissen und schloss es ein. Getreu dem Befehl, der besagte, dass die erreichte Stellung zu halten sei, machte das Bataillon keinen Versuch, sich rückwärts wieder durchzuschlagen.
Die New York National Army bestand aus der 77. ID, auch Freiheits-Division genannt, die außerordentlich verstärkt war durch die 40. ID, die auch Sonnenschein Division hieß. Letztere rekrutierte sich aus National-Garde-Truppen aus Kalifornien, Utah, Colorado, Arizona und New Mexiko., die im Lager Kearny in Kalifornien ausgebildet waren. So kämpften fern in den Argonnen in der Division Männer aus West und Ost.
Wenige Tage vorher war das kombinierte Bataillon ebenfalls abgeschnitten worden, wenn auch nicht vollständig. Schwarze Truppen von der 92. ID waren mehr als 2 Kilometer zurückgegangen, so dass am linken Flügel der 77. ID eine Lücke klaffte, in die der Feind eindrang und dadurch das Bataillon bis zum 01. Oktober stark flankierte. An diesem Tage befreite sich das Bataillon aus dieser misslichen Lage durch einen erfolgreichen Angriff, geriet aber, nichtsdestoweniger wieder in den anfangs erwähnten Hinterhalt. Der Feind schloss Whittlesey so eng ein, dass die deutsche Artillerie ihn nicht beschießen, sonder nur mit MG- und Infanteriefeuer, mit Minenwerfern und Handgranaten beikommen konnte. Unsere Leute waren nur mit eisernen Rationen versehen und hatten daher 100 Stunden kein Essen und sozusagen kein Wasser. Sie löschten ihren Durst mit Tau und stillten ihren Hunger mit Wurzeln und Blättern des Waldes.

Unsere Leute hatten Leuchtpistolen und Fackeln zum Zeichengeben in der Nacht und legten weisse Tuchfelder zum Signalisieren bei Tage aus. Die Letzteren wurden auf die Erde ausgelegt, um unsern Fliegern Nachrichten zu geben und Nachrichten zu erhalten. So wurde z. Bsp. angefragt: „Sage uns, wie es rechts von uns aussieht” oder „Melde, dass wir vorgehen wollen” oder „Erstes Ziel erreicht” – Whittlesey hatte auch Brieftauben bei sich. Die letzte, die er am 4. Oktober fliegen ließ, brachte folgende Kunde: „Leute leiden sehr unter Hunger und Witterung, die Verwundeten leiden sehr. Kann nicht sofort Hilfe gesandt werden?” Wir wussten genau, wo das Bataillon und wie verzweifelt seine Lage war. Unter anderem versuchten wir, ihm Lebensmittel durch Flieger zu übersenden. Ihnen gelang es aber nie, die Lebensmittelpakete auf kleinem Raum innerhalb des feindlichen Einkreisungsringes abzuwerfen. Neun Leute des Bataillons krochen, ohne Erlaubnis zu haben, ins Niemandsland zwischen die Kampflinien, um Nahrungsmittelpakete zu erbeuten, die dorthin von unseren Fliegern abgeworfen wurden. Fünf von ihnen fielen, die übrigen vier wurden gefangen genommen. Einer von den vieren, Private Growell R. Hollinghead, wurde gezwungen, nachdem ihm die Augen verbunden wurden, Whittlesey die schriftliche Aufforderung zur Kapitulation zu überbringen. Diese war von Leutnant Heinrich Prinz, der vor dem Krieg sechs Jahre lang in Seattle gelebt hatte, und der jetzt der 76. Res.-Div angehörte, in vorzüglichem englisch abgefasst. Prinz führte die deutsche Abteilung, die Whittlesey in den Rücken gekommen war und man hatte den Verdacht, dass er die Kenntnis der englischen Sprache dazu benutzt habe, falsche Befehle an unsere Truppen zu geben. Es konnte nämlich für verschiedene durch Lautsprecher gegebene Befehle der Befehlsausgeber nicht festgestellt werden.
Die deutsche Aufforderung zur Kapitulation war sehr höflich und etwa in Form eines Geschäftsbriefes gehalten. Major Whittlesey beantwortete sie nicht mit der abschlägigen Antwort: „Geh zum Teufel” („Go to hell”), wie die Zeitungen zu berichten wussten, sondern ignorierte sie vollständig. Nach seinen eigenen Worten schien ihm keine Antwort die beste. Die deutsche Aufforderung forderte, dass er eine weiße Fahne zeigen sollte, wenn er zu kapitulieren beabsichtigte. Um nun jeder falschen Annahme beim Feind vorzubeugen, entfernte Whittlesey seine weissen Tuchfelder. Dadurch verlor er die letzte Verbindung mit unserer Armee. Er tat dieses trotz seines verhängnisvollen Mangel an Munition und trotz des verheerenden Feuer des Feindes und trotzdem sich seine Leute in höchster Not befanden. Ich verbrachte während dieser Zeit jede Stunde, die ich erübrigen konnte, bei General Alexander im Divisionsstabsquartier im Walde und überlegte, wie dem Bataillon Hilfe gebracht werden könnte. Selbstverständlich wussten die Boches, dass wir nichts unversucht lassen würden. Sie verhinderten deshalb auch alle Entsetzungsversuche, die wir tags und nachts, rechts und links, machten.

Beginn der Hilfsaktion

Inzwischen hatte am 04. Oktober die zweite Phase der Mosel-Argonnen-Schlacht begonnen. Die Armee griff an jenem Tag, ohne vorhergehendes Artilleriefeuer an und überraschte so die Deutschen. Von meiner Korpsfront nahm die 1. ID Exermont aus welchem einige Tage vorher die Patrouillen der 35er vertrieben waren. Sie drang weiter vor bis Fléville an der Aire. Die rechte Brigade der 28. ID unter General Dennis Lonan, der auf sein Gesuch hin vom Stab des Großen Hauptquartier an die Front versetzt worden war, erreichte die Aire hart südlich von Fléville und dehnte sich bis südlich Aprémont aus. Eine Lücke blieb zwischen dem linken Flügel der 1. ID und dem rechten Flügel der 28. ID im Aire-Tale. Am folgenden Tage drangen wir 1 Kilometer an die Aire heran. Am 06. Oktober lief unsere Korpslinie von südlich Sommerance bis Fléville, um dort dicht am Fuße der Argonnen entlang bei Chatel Chehery auf das linke Flussufer abzubiegen. Von dort verlief die Front an der Chene-Tondu-Höhe vorbei, am Ostrand des Waldes entlang, über la Viergette im Walde weiter durch den Wald bis in die Gegend nördlich Binarville. Von diesem – einst ein blühendes Dorf – war nicht ein Stein auf dem anderen geblieben. Es war 1914 durch Artilleriefeuer vollständig zusammengeschossen worden. Die Boches hatten dann die Trümmerhaufen, die noch stehen gebliebenen Mauern und alles andere zur Herstellung von Strassen weggeschafft.
Der Vormarsch der 1. ID am 5. Oktober auf dem rechten Flügel des Korps brachte die erste Erleichterung für Whittlesey, dessen Bataillon vor dem linken Flügel des Korps eingeschlossen war. Er ermöglichte einen Flankenangriff auf die Argonnen aus der Linie Aprémont – Fléville mit der Absicht, die Boches aus dem Wald zu vertreiben. Mit anderen Worten, der Feind hatte infolge der Abwehr des Angriffs der 77. ID im Walde seine eigene Flanke ungedeckt gelassen. Ich arbeitete im Korpshauptquartier einen Vorschlag aus und gab ihn sofort durch Fernsprecher an das Armeehauptquartier durch. Darin empfahl ich einen sofortigen Angriff der 82. ID, unserer Korpsreserve, die jetzt unter dem Befehl des Generals Duncan stand, in nordwestlicher Richtung über die Aire gegen Cornay und anschließende Höhen in Verbindung mit einem gleichzeitig auszuführenden Angriff der rechten Brigade der 28. ID gegen Höhe 244, die vor dieser lag.
Meine Absicht war, nicht nur die Boches vollständig aus dem Wald zu vertreiben, wodurch das „verlorene” Bataillon befreit würde, sondern es sollte dadurch auch die neue Stellung der 1. ID gegen das Flankenfeuer von der Ostseite des Waldes aus der Gegend Cornay geschützt werden. Ohne alle Fragen handelte es sich um eine riskante Sache. Die Flanke der angreifenden Truppen würde ungedeckt und einer konzentrischen Beschießung jeder Art ausgesetzt sein. Die feindlichen Stellungen lagen auf steilen, schroffen Klippen auf Höhen bis zu 300 Fuß, von wo aus sie das Tal beherrschten. Dabei war die Aire nur an einigen seichten Stellen passierbar, die man in Eile ausfindig machen musste. Das Armeehauptquartier zögerte daher, meinem Plan zuzustimmen. Erst, nachdem General Mc. Andrew, der Chef des Stabes und General Connor, der Operationschef, ihn mit mir in meinem Hauptquartier durchgesprochen hatten, wurde er bewilligt. Sämtliche französischen Offiziere, welche meinem Stab attachiert waren, sprachen sich einstimmig gegen meinen Vorschlag aus. Von meinem eigenen Stabe pflichtete ihm nur der Chef, Malin Craig, bei.
Für meinen Vorschlag hatte ich verschiedene Gründe; einer davon ging von der Tatsache aus, dass man Krieg nicht nur von Sicherheiten aus führen kann. War mein Plan von Erfolg gekrönt, großartig! Missglückte er, dann würde ich zum Teufel gejagt werden. Aber das ist nun mal das Los eines Offiziers. Der Angriff würde für uns gefährlich sein, aber ebenso auch für den Feind. Und endlich: das großartige Verhalten und die Entbehrungen, die Whittleseys Bataillon aushielten, waren einen blutigen Kampf zu dieser Befreiung wert. Ich gönnte ferner den Boches nicht den Ruhm, eine Abteilung der American Expedition Force gefangen zu nehmen.

Die Argonnen frei

Glücklicherweise stand ein Regiment der 82. ID, das unter dem Kommando des Obersten Ely stand und mehrere Tage hinter der 28. ID, die im Aire-Tal lag, als Divisionsreserve gelegen hatte, zur Verfügung. Ebenso waren einige Führer, wenn auch nicht in ausreichender Anzahl, für den Aire Übergang zur Hand. Da keine Zeit vorhanden war, Pontons heranzuschaffen, durchwatete oder durchschwamm am Morgen des 07. Oktober im dichten Nebel dieses Regiment die Aire. Zur selben Zeit stürmte die Brigade Nolan der 28. ID die Höhe 244. Wäre es uns gelungen, eine ganze Brigade der 82. ID am Morgen des 07. Oktober über die Aire zu bringen und hätten diese durch die andere Brigade unterstützen können, dann hätten wir nicht nur alle deutschen Truppen im Walde abgeschnitten und gefangen genommen, sondern wahrscheinlich hätten wir Grandpré, den Bois de Loges und Champigneulle genommen. Alle diese Stellungen waren schwach besetzt, solange sich der Feind noch im Wald befand. Sie lagen überhöhend mit einem meilenlangen, offenen Gefälle, ohne jede Deckung bis hinunter zur Aire. Sie stellten die stärkste, kurze Front dar, die ich je an der Westfront sah. Sie kostete uns Verluste von 4 – 5000 Mann und eine Woche verzweifelten Kampfes, um sie zu besetzen. Da an jenem Tage nur einige 6 Kompanien von einem Regiment der 164. Brigade (82. ID) eingesetzt werden, kann man ermessen, welchen Erfolg ein vollkommen gemeinsamer Angriff der ganzen Brigade, wie er befohlen war, gehabt haben würde.
Indessen, wenn der Erfolg nicht den Erwartungen entsprach, wie das meistens der Fall ist, erfüllte er doch seinen unmittelbaren Zweck. Die Deutschen waren im Wald überflügelt und zogen sich eiligst aus ihm zurück. Das „verlorene” Bataillon war gerettet, die 1. ID befreit von einem verheerenden Flankenfeuer aus dem Walde her. Die Argonnen waren entgültig in unserem Besitz. Whittesey war mit 500 Offizieren und Mannschaften in den Kampf gegangen. Nur 194 konnten befreit werden. Von einer Kompanie, A-Kompanie des 308. IR, waren es nur drei Überlebende, die nicht auf Tragen getragen werden brauchten. Im Verlaufe dieser Operation entbrannte in der Gegend von Cornay ein heftiger Kampf, während dessen die Deutschen ständig Gegenangriffe machten, um für ihren Abzug Zeit zu gewinnen. In der Nacht vom 7. auf dem 8. Oktober kam es noch einmal zu einem heftigen Nachtgefecht. Jedoch am 10. erreichte die 77. ID das südlich Ufer, gegenüber von Grandpré.

Der Artikel ist K. Klemm und F. Prinz zugesandt worden, um ihrerseits eine Schilderung der damaligen Kämpfe zu geben. K. Klemm führte damals das I./252, dass gegen das „Amerikanernest” eingesetzt war. Prinz, der Ordonnanzoffizier im Regimentsstab, ist in dem Artikel besonders erwähnt.

4 Antworten auf „Amerikanische Darstellung“

Hallo ich halte ein Referat über die Schlacht um Verdun und wollte fragen ob sie mir weiter helfen können warum und wann die Amerikaner den Französischen Truppen halfen Danke für Antworten

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